Es gilt schon lange nicht mehr als Geheimnis, dass Fremdsprachenkenntnisse heute vor allem im beruflichen Umfeld von großer Bedeutung sind. Die Weltsprache Englisch gehört heute zur Grundausstattung eines jeden Lebenslaufs. Wie sieht es mit der Beherrschung vermeintlich exotischer Sprachen aus? Vor allem in Deutschland sind gute Fremdsprachenkenntnisse über das Englische hinaus eher die Ausnahme. Aus der Not heraus gibt man öfters auch Schulkenntnisse in weiteren Fremdsprachen in seinem Lebenslauf an. Mit denen lässt sich nur meist genauso gut kommunizieren wie mit dem großen Latinum. Oftmals entpuppen sich auch die guten Englischkenntnisse im Praxistest als ausbaufähig. Die Hände-und-Füße-Technik ist immer noch die beliebteste Verständigungsmethode deutschsprachiger Touristen im Ausland.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass sich nur einige wenige Pioniere unter uns an exotische Sprachen wie Russisch, Schwedisch oder Chinesisch wagen. Viele fürchten sich vor dem Neuland, das sie durch das Studium einer außergewöhnlichen Sprache betreten. Oftmals schreckt auch das Erlernen einer neuen Schrift von der Entscheidung ab, sich etwa mit slawischen Sprachen oder dem Griechischen auseinanderzusetzen. Die Bollwerke der Unerlernbarkeit jedoch seien die asiatischen Sprachen, so die landläufige Meinung. Und warum sollte man sich so viel Arbeit auflasten, wenn man sich mit Englisch überall verständigen kann?
Der Einäugige unter den Blinden: exotisch sprechen als Markenzeichen
Das Wort „exotisch“ weckt in uns Assoziationen des Fremdartigen, Seltenen und Geheimnisvollen. Bedingt durch die Zurückhaltung beim Sprachenlernen gelten in Deutschland schon Sprachen als außergewöhnlich, die eigentlich Weltsprachen sind. Chinesisch, Russisch, Japanisch und Portugiesisch sind beispielsweise alle unter den Top 10 der Sprachen mit den größten Sprecherzahlen. Und so kann man sich mit diesen „exotischen Fremdsprachen“ mit einem Viertel der Weltbevölkerung unterhalten. Wirklich exotisch im Sinne von „selten“ sind beispielsweise Sprachen wie Isländisch, Mongolisch, Quechua oder Laotisch.
Aufgrund ihres Exotenstatus hebt man sich gerade durch das Beherrschen einer dieser Sprachen bewusst von der Masse ab. In Berufssparten mit hoher Konkurrenz kann darin ein Vorteil liegen. Ganz nach dem Motto „Herr Meier hat ein super Abschlusszeugnis, und dann kann der auch noch Russisch!“ weckt man allein durch seinen Lebenslauf Interesse.
Oftmals geht es nicht um die Fremdsprachenkenntnisse als solche, sondern vielmehr um das Statement, das man dadurch setzt: ich bin willensstark, ich habe ein enormes Durchhaltevermögen, bin fleißig, wage es, neue Wege zu gehen… Ein starkes Signal an jeden Personaler. Auch spielt es oft keine Rolle, ob man die außergewöhnliche Sprache bereits gut beherrscht oder gerade mit dem Studium begonnen hat. Allein die Entscheidung für eine als besonders exotisch geltende Sprache wird als etwas Besonderes verstanden.
Von Arabisch bis Zulu: Welche außergewöhnlichen Sprachen für Deutsche interessant sind
Natürlich spielt wie bei allen Entscheidungen auch bei der Sprachwahl die persönliche Präferenz eine große Rolle. Meist entscheidet man sich für das Erlernen einer Sprache, weil man sich für Land und Leute interessiert oder in irgendeiner Weise Kontakt mit Sprechern der Sprache hat. Will man sich jedoch bewusst für eine exotische Sprache entscheiden, gibt es natürlich einige Idiome, die besonders gefragt sind.
Die bereits genannten Sprachen Russisch, Portugiesisch und Chinesisch sind Beispiele hierfür. Vor allem die osteuropäischen Länder sind für Deutschland wichtige Handelspartner. Bedingt durch die stark wachsende Wirtschaft ist China ebenfalls ein sehr wichtiger Partner. Chinesisch-Kenntnisse sind momentan gesuchter denn je. Ist man vor zehn Jahren noch denjenigen mit einem höhnischen Lächeln begegnet, die sich mit den abertausend Schriftzeihen und komplizierten Aussprache des Mandarin beschäftigten, bringen heute große deutsch Buchverlage Unmengen von Lehrmaterialien für das früher als außergewöhnliche Sprache geltende Chinesisch auf den Markt. Die Sinologie ist mittlerweile einer der beliebtesten fremdsprachlichen Studiengänge. Auch Arabisch ist aufgrund der bedeutenden Handelsnationen am Persischen Golf eine beliebte exotische Sprache.
Sind exotische Sprachen wirklich so schwer zu erlernen?
Alle außergewöhnlichen Sprachen haben eines gemeinsam: Sie werden in ihrer Schwierigkeit maßlos überschätzt. Realistisch gesehen sind exotische Sprachen nicht leichter oder schwerer als eine der gängigen Schulsprachen. Wer sich in der Schule schon mit den zahlreichen Vergangenheitsformen des Englischen oder der Aussprache des Französischen beschäftigt hat, kann ein Lied davon singen, wie kompliziert diese als einfach geltenden Sprachen sind. Oftmals liegen die Schwierigkeiten beim Erlernen außergewöhnlicher (vor allem nicht europäischer) Sprachen nur in einem ganz anderen Bereich. Das Chinesische hat beispielsweise eine unglaublich einfache Grammatik (manch einer behauptet sogar, es gäbe keine Grammatik!). Das Schreiben lernen ist hier die große Anstrengung.
Eine Sprache zu erlernen kostet immer Zeit und Anstrengung. Doch exotische Sprachen sind keinesfalls unerlernbar. Wenn man sich der Herausforderung stellt, kann man ebenso schnell Erfolge erzielen wie in gängigen Sprachen. Natürlich kann man sich fast überall auch irgendwie auf Englisch verständigen. Doch nur, wer die Muttersprache des Gegenübers beherrscht, hat auch einen Einblick in dessen Gedankenwelt. Sprache beeinflusst immer auch die Sicht auf uns und unsere Umwelt. Wer Chinesisch lernt, muss sich zwangsweise mit typisch chinesischen Verhaltensmustern auseinandersetzen. So gibt es auf Chinesisch natürlich ein Wort für „nein“. Es aber tatsächlich zu benutzen, entlarvt den Sprecher allerdings als ungehobelten Gefühlstrampel. Ein nett ausgesprochenes „hört sich gut an“ ist die direkteste Abfuhr, die man von einem Chinesen erwarten kann. Und so sammelt man durch exotische Sprachen Erfahrungen und Eindrücke, die auch die Sichtweise auf sich und seine Umwelt verändern.
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